Auf Tradition gegründet
Für die Zukunft gerüstet
PUBLIC FACE
Februar 2019

PUBLIC FACE

Die Stahlbau-Abteilung der Firma Fr. Holst baut einen Smiley aus Stahl und Neonröhren in der Hafencity.
Als erstes Projekt wurde im November 2018 die Skulptur Public Face der Künstler Julius von Bismarck, Benjamin Maus und Richard Wilhelmer auf der Kibbelstegbrücke errichtet. Das sieben Meter hohe Smiley aus Stahl und Neonröhren spiegelt die kollektive Gefühlslage der Menschen im Stadtteil wider und kann lächeln, traurig, zornig oder überrascht blicken. Auf der ältesten Brückenverbindung zwischen Stadtzentrum, Speicherstadt und HafenCity ist die Figur für FußgängerInnen, von der U-Bahn und vom Auto aus besonders in den Abend- und Nachtstunden weithin sichtbar.

Die jeweilige Stimmung des Smileys basiert auf den Gesichtsausdrücken von PassantInnen, die von Sicherheitskameras in der HafenCity erfasst werden. Ohne diese zu speichern, sendet eine Software die gemessenen Daten in Echtzeit an die Mechanik der Apparatur. Dort übersetzt ein von den Künstlern entwickelter Algorithmus die Informationen in eine konkrete Emotion, die dementsprechend weder von Einzelpersonen beeinflusst werden kann noch individuelle Befindlichkeiten wiedergibt. Auf diese Weise verlagert das Public Face die Wahrnehmung von der eigenen Verfassung auf die Gefühlslage anderer Menschen in der Umgebung und wirkt potenziell gemeinschaftsfördernd. Zugleich lenkt es die Aufmerksamkeit auf die Überwachungsinstrumente, die den öffentlichen Raum vielerorts im Visier haben.

Ursprünglich im Jahr 2010 als temporäre Installation für den Leuchtturm an der Hafeneinfahrt von Lindau am Bodensee entwickelt, wurde das Public Face in den vergangenen Jahren mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten in Wien, Stuttgart oder Jonköping in Schweden präsentiert. Für die HafenCity haben die Künstler den Prototypen weiterentwickelt, mit der Unterstützung ortsansässiger Firmen überarbeitet und speziell für seinen besonderen Standort neu produziert. Gefertigt und montiert in Harburg, wird die Konstruktion auf dem Wasser bis an die Kibbelstegbrücke geliefert und dort mit einem Kran auf die Brücke gehoben, wo sie die HafenCity für mindestens ein Jahr unverkennbar als Kulturort sichtbar macht.

Die Kuratorin und die Künstler danken den Firmen EHS beratende Ingenieure für Bauwesen, Hochtief Infrastructure GmbH Deutschland Nord und Fr. Holst (GmbH & Co. KG) für die Förderung des Projekts sowie dem Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) in Hamburg und der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) für die Unterstützung. Auf der Elbphilharmonie Hamburg danken wir für die freundliche Unterstützung.

Julius von Bismarck (* 1983 in Breisach am Rhein) studierte Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste Berlin, war dort Meisterschüler von Ólafur Elíasson an dessen Institut für Raumexperimente und nahm am MFA-Programm des Hunter College in New York teil.
In seinen interdisziplinären Arbeiten erforscht er die Wahrnehmungsgewohnheiten der Menschen und nutzt wissenschaftliche Methoden, um unsere Raumvorstellungen aus ungewohnter Perspektive zu hinterfragen. Hierfür verbrachte er etwa eine Woche auf einer sich drehenden Betonschale oder transferierte einen Süßwasser-Goldfisch in das eiskalte Salzwasser der Antarktis. In Arbeiten wie „Talking to Thunder“ (2017) und „Irma to Come in Earnest“ (2017) fokussierte er zuletzt auf die Konstruktion von Natur und Naturkatastrophen. Seine Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Golden Nica Award (2008), dem Prix Ars Electronica Collide@CERN (2011) und dem Wolfsburger Kunstpreis (2017).

Benjamin Maus (* 1984 in Geislingen an der Steige) ist Erfinder und Künstler und lehrt regelmäßig an Kunsthochschulen wie der Universität der Künste Berlin, der Hochschule Düsseldorf oder der Hochschule für Künste Bremen. Als Autodidakt begann er schon früh, Maschinen auseinanderzunehmen und zu programmieren. Sein Wissen in verschiedenen Bereichen, etwa der Informatik, Mechanik und Physik, und das Interesse an der gesellschaftlichen Bedeutung moderner Produktionsmethoden bilden die Grundlage seiner künstlerischen Arbeit. Dabei liegt sein Fokus auf neuen Entwicklungen wie der Automatisierung in der Industrie, veralteten Technologien und den damit jeweils verbundenen Vorstellungen und Hoffnungen.
Der „Perpetual Storytelling Apparatus“ (mit Julius von Bismarck, 2009) beispielsweise komponiert potenziell unendliche visuelle Geschichten, die auf Patentzeichnungen seit 1790 basieren. Eine andere Maschine, „Jller“(mit Prokop Bartoníček, 2015), sortiert mehrere Tausend Kieselsteine aus dem gleichnamigen Fluss nach ihrem geologischen Alter.

Richard Wilhelmer (* 1983 in Judenburg, Österreich) studierte Kunst und Medien an der Universität der Künste Berlin und erhielt ein Stipendium im Rahmen des MFA-Programms für Regie am California Institute of the Arts.
Wilhelmer ist Kreativdirektor und Geschäftsführer der von ihm mitgegründeten Beluga Strategic Design GmbH in Berlin. Aus der täglichen Auseinandersetzung mit soziokulturellen Entwicklungen, technologischem Wandel und wirtschaftlichen Kräften entstehen darüber hinaus regelmäßig freie Arbeiten in der bildenden und darstellenden Kunst sowie im Filmbereich. Sein aktueller Dokumentarfilm „Anomalie“ untersucht gängige Vorstellungen von Normalität in Bezug auf die menschliche Psyche und startet im Februar 2019 bundesweit in den österreichischen Kinos. Anomalie wurde 2018 auf der Diagonale – Festival des österreichischen Films in Graz uraufgeführt und wird unter anderem auf dem Kasseler Dokfest (2018) und dem This Human World Festival in Wien (2018) präsentiert. Weitere aktuelle Arbeiten umfassen beispielsweise die Installation „Fake Star“ (mit Julius von Bismarck und Benjamin Maus, 2018) und den experimentellen Kurzfilm „Hypnodrom“, der 2017 und 2018 international auf Filmfestivals zu sehen war.

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